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“Aber Serafico carissimo, Sie sind in Muzot?!!…”

Lettere di Marie Thurn und Taxis a Rainer Maria Rilke
Segnatura: 191
Data completa: 1924 feb. 16
Descrizione: Briefwechsel: n. 406
Trascrizione: Aber Serafico carissimo, Sie sind in Muzot?!! Der gute Burckhardt hatte uns vor 3-4 Wochen auseinandergesetzt Nachrichten aus der Schweiz zu haben daß Sie weggezogen wären nach Italien! Und ich wartete fort auf Nachrichten - Auf Adresse - Und gestern abends war ich bei Sophie Öttingen und sie sagte mir von Ihrem Brief aus Muzot! Und daß Sie vielleicht herkämen - Das wäre eine Freude! - Ich habe einen etwas mouvementirten Winter nebenbei - Denken Sie daß, kaum hier angekommen, uns Erich einen rechten Schrecken machte mit einer kleinen Lungenentzündung die er sich zuzog. Es war ein leichter Fall, und er ist Gott sei Dank und unberufen vollkommen hergestellt (mit Gabriele auf ein paar Wochen nach S. Remo abgedampft.) Aber es waren doch bange Tage wie Sie sich denken können - und jetzt bringe ich alle meine Nachmittage im Sanatorium Löw zu, wo meine Schwester Carola, die arme Haut, mit rheumatischen Schmerzen in den Füßen, liegt. Es ist, so versichern mich die Ärzte, nichts Bedenkliches aber riesig langweilig und thut sehr weh. Ich komme also wenig dazu die Menschen zu sehen die ich möchte und überhaupt auch nicht zum Schreiben. Mich macht dieser Schnee, diese große Kälte auch unglücklich, und ich spüre es in allen Gliedern. Unser guter Kassner ist auch sehr krank gewesen, auch eine Lungenentzündung mit sehr hohem Fieber. Wir waren alle sehr besorgt um ihn - Jetzt, Gott sei Dank und unberufen, ist auch er wieder beisammen, war gestern hier beim Gabelfrühstück und kommt wieder morgen und zwar mit einem gewissen Dr Prinzheim (oder so was) den ich kennen lernen wollte weil er von Ihnen und von den Elegien schwärmt. Bin neugierig auf ihn. - Burckhardt ist in Rodaun - leider fährt er bald weg. Er hat sich mit unserem guten Professor sehr angefreundet, hat ein paar Stunden bei ihm genommen und ihn zu sich in die Schweiz eingeladen. Der Professor hat hier ein Conzert gegeben wo er wirklich himmlisch gespielt hat - es waren alle Leute entzückt. Gestern hat er in Venedig gespielt (Liceo Marcello) kommt dieser Tage zurück und spielt wieder am 24ten mit Orchester in Wien. Er ist enorm gewachsen in der letzten Zeit - Sie sollten ihn hören - Und Sie sollten Mariedl und Lori sehen die jetzt wirklich, beide, wunderhübsch sind. Sie tanzen ein wenig, Gabriele wollte sie nicht in die hiesige sogenannte «Gesellschaft» von jetzt, führen. Aber zu Hause, und im intimen Kreis wird doch gehopst - Morgen hier eine Jause, Montag. Thé dansant bei ihnen. Die Mädeln gefallen sehr; Ihr Freund Burckhardt hat ganz enthusiastisch von ihnen gesprochen. Nur hat der Erzbischof, Kardinal Piffl (mit dem Namen kann man nur Dummheiten machen!) einen entsetzlichen Streich begangen - er hat die «modernen Tänze» verboten!!! Also Verzweiflung sur taute la ligne - die frömmsten Mütter schäumen. Nicht nur sind sie empört daß man überhaupt annehmen kann daß ihre Mädeln - ich bitte Sie ihre Töchter! - irgendwann irgendwie Anstand und Sitte vergessen könnten - Aber wie sollen dieselbigen Töchter jemals einen Ehegatten kriegen wenn die jungen Herrn, welche die alten Tänze verachten, sich stützig melden und nicht kommen! Es ist ein heißer Kampf entbrannt - einerseits die rasenden Mütter mit einigen wohlwollenden Abbés, und schlauen Jesuitenpatres - von der anderen Seite horribile dictu - die alten Jungfern (die den ganzen Skandal angestiftet haben und es enorm genossen dem armen entsetzten Cardinal die schlüpfrigsten Geschichten aufzutischen) - hinter ihnen der orthodoxe Clerus und Seine Eminenz!! Aber die Mädeln kümmern sich nicht um den Kampf - es wurden alle Tänze umgetauft und es wird tapfer getanzt, Piffl-Tänze - und verkappte Teufelstänze! Et tout est pour le mieux dans le meilleur des mondes! Serafico ich möchte von Ihnen hören - was machen Sie? Eupalinos? Wie geht es Ihnen? Was haben Sie vor? Denken Sie daß ich die «Elemente» die ich seit Monaten nicht angerührt hatte wiedergenommen habe, von A bis Z durchgesehen, viel corrigirt und geändert. Ich hoffe sie sind jetzt möglich. Und nun buona sera mio Signore! und alles Schöne und Herzliche! MT Serafico - Duino wird aufgebaut. D.D.!
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