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“…wie sehr wünschend an ihn!…”

Lettere di Rainer Maria Rilke a Marie Thurn und Taxis
Segnatura: 7
Data completa: 1920 dic. 15 ?
Descrizione: Briefwechsel: n. 325 Mancano la prima carta della lettera e la cartolina illustrata originariamente allegata alla stessa.
Trascrizione: Meine theuere Fürstin, ich schreibe Ihnen im gleichen Moment, da Ihr guter Brief mich erreicht, ich habe ihn zu sehr erwartet, um nicht sofort ein Eintreffen zu konstatieren, das mich recht eigentlich erst im Hiesigen sanktionniert! Ich danke Ihnen, daß Sie‘s so vollauf, in so herzlichem Billigen und Einsehen gethan haben. Daß Ihre Zustimmung mir noch abging, war die einzige noch offene Stelle in der bergischen Vollkommenheit, nun haben Sie sie «luftdicht» gemacht, und ich bin die Raupe im Cocon und spinne mich weiter und weiter ein, in den mir ausbrechenden Bart. Es ist vollkommen hier, Fürstin, - alles, ich kann‘s nur wiederholen, auch die Wirtschafterin Leni, die mich ganz nach meinen Bedürfnissen und dabei so still, stillschweigend, ja gewissermaßen athmosphärisch versorgt, daß ich imstande bin, sie mehr wie ein freundliche s Klima zu behandeln, denn wie eine Personifikation. Seit Duino war mir nie so zumuth, - ja ich konnte mir, die letzten Jahre schon erst recht nicht! überhaupt nicht vorstellen, daß alles, was ich nöthig habe zu meiner übertriebenen Absonderung, irgendwo so bis ins Letzte[re] und Innerste und Genaueste sich erfüllen könnte. C’est d’une perfection de rêve, je vous assure! In ganz schwachen Stunden gab ich dem Ausbleiben Ihrer Nachrichten, da ich mich ja doch sehr «schuldig» fühlte, eine kleinmüthige Auslegung; aber das war, ich darfs versichern, nur ganz periphère, - denn meine Überzeugung zu den alten lieben Verhältnissen ist doch zu gründlich, als daß ich mir einzureden verstünde, eine meiner vielen Unentschlossenheiten könnte so wunderbar Gesichertem Schaden thun. ­ Und so waren es denn auch ganz andere Gründe, die Sie vom Schreiben abgehalten haben. Wie freu ich mich über Ihre Tournée, die Sie, malgré toutes les difficultés, so kühn auf sich genommen und durchgesetzt haben: Darmstadt, Berlin, München, - überall wär ich gerne mit Ihnen gewesen, ganz besonders aber in Darmstadt, an der Weisheit‘s-Schule wohin ich gewiß gereist wäre, wenn - nicht eben alles Reisen (selbst bis Zürich!) mir jetzt Übertretung wäre. Ja, wenn man sich doch bald sähe - und Sie könnten erzählen. Ich habe - nun Sie wissen ja -, seit dem Reisetagebuch, die lebhafteste und theilnehmendste Bewunderung für Keyserling, und setze auch einen gewissen Glauben, in das was er nun in Darmstadt durchführen will, wenn ich auch glaube, daß er vorläufig der Einzige sein möchte, der alle Bedingungen in sich zusammenfaßt, um derart erlebtes Wissen mitzutheilen. / Ich habe mich eben wieder (zum dritten Mal!) mit dem ersten Bande des «Reisetagebuchs» eingelassen. Während meiner früheren Lektüren merkte ich es kaum, aber vor ein paar Monaten, da ich das Buch gar nicht in der Nähe hatte, stieg es mir seltsamer Weise, wie ein Schmerz auf, daß er meiner an einer Stelle des IIten Bandes (den ich auch jetzt hier nicht zur Hand habe) mit so harter und (wie mir scheint) ungerechter Was Zurechtweisung erwähnt! Warum eigentlich? - Was er mir dort so schroff und bloßstellend vorwirft, kann ich versichern nie behauptet noch empfunden zu haben, eine solche Einpassung Gottes ins Geringfügige widerspräche mir innersten Grunde ---, hätte ich sie aber selbst je in einem falschen dichterischen Bilde für einen Moment zur Schau gestellt, - so begriffe ich auch dann nicht diese harte Abfertigung und Einrangierung ins Mindere, in einem Werke von solcher Unparteilichkeit, das, soviel ich weiß, sonst nirgends eine persönliche Verwerfung enthält, weil ihm ja auch aller Anlaß fehlt, sich mit dem Nichts-als-irrthümlichen, seiner Natur nach Falschen und Unzulänglichen einzulassen?! Aber das nur nebenbei. Meiner Freude zu H(ermann) K(eyserling)'s Werken hat diese Befremdung niemals Eintrag gethan, und, so Gott will, werd ich ja die Art meiner Gottes-Bedingungen immer reiner herausstellen dürfen. Wie gerne sähe ich Kassner wieder. - Ist er nun in München, oder hat die Wohnung in Oberstdorf eine Art Stabilität angenommen? Liebe Fürstin. Bücher: Kennen Sie La paix chez les bêtes von Colette (Colette Willy)? Ein délicieuses Buch! / Ich bin gespannt auf Ihre Publikation, Fürstin. Von mir, denken Sie, giebt es seit kurzem ein kleines opus (pensez!) französisch geschrieben und worauf ich sehr stolz bin auch ganz in jener Sprache gedacht --: Sie bekommens natürlich! Aber eine Kleinigkeit ist das, selbstverständlich, eine Préface zu Zeichnungen eines 12-jährigen Knaben, die wir in Zürich herausgeben. / Alles Liebe für den Fürsten -, ich dachte auch am ersten Dezember sehr und wie sehr wünschend an ihn! - Ich kann mir denken, was Alles gekommen sein mag, Sie bedrücken und betrüben, es war ja wohl schon in Venedig abzusehen - ? Die Pia schrieb mir dieser Tage von Frasanelle aus. Und der Pascha in Florenz! Wie gut für ihn. Der Prinz Alexander H(ohenlohe) in Zürich, von dem ich ab und zu Nachrichten habe, liest augenblicklich mit entraînement Coupérus. Was etwa sollte ich von ihm lesen? Es ist un-erträglich, Fürstin, daß man sich nun wieder so lange nicht sehen soll. J‘ai ume proposition, ernstlich. Machen Sie im Frühling eine zweite kleine Tournée, wieder nach Darmstadt, wo sich ja immer weiter das Interessanteste begeben wird, nichtwahr?, und kommen Sie von dort (- es ist ja ganz nahe bei Basel) ins Schweizerische, mich auf Berg besuchen! Bis dahin bleib ich eingeschlossen und verpuppt, aber dann wird mir sicher «auskriechlich» und «schmetterlinglich», und Sie kämen gerade zurecht, mich frischen etwas taumeligen «Sommervogel» (wie es schweizerisch heißt) ausbrechen zu sehen und wären der erste Zuschauer meines unerhörten Flügelschmelzes! Ich habe etwas sehr Komisches angestellt, was mir bei Gelegenheit dieses «erhabenen» Styles einfällt. Keinerlei Bibliothek (außer einem Goethe) hier vorfindend, auch keine Aufzeichnungen oder dergleichen, die mit diesem durch die Jahrhunderte den Escher vom Luchs gehörigen Schlößchen zusammenhingen, - machte ich mich, in halber vorläufiger Produktivität daran, ein Heft Gedichte zu verfassen, das ich vorgab, hier in einem Schranke gefunden zu haben. Es war sehr merkwürdig -, die Feder wurde mir buchstäblich «geführt» Gedicht für Gedicht, bis auf ein paar Stellen, wo man mich erkennen würde, wars auch weder meine Art noch meine Ansicht, die da ganz fertig, (ich schrieb es sans brouillon ins Heft selbst) zum Ausdruck kam. Ein sehr schönes (aegyptisches) Gedicht ist dabei, das ich wohl möchte gemacht haben, das aber nie so sich könnte in mir ausgeformt haben. Das ging im Fluge an 3 Abenden vor sich - , und schon am zweiten setze ich, ganz fließend, ohne einen Moment zu überlegen aufs Titelblatt: «Aus dem Nachlaß des Grafen C. W.» (wie im Dictat ebenfalls) ohne mir einen Namen bei diesen Initialen zu denken, - aber so durchaus sicher, daß es das sei. Was war das alles? / Tausend Gutes für Weihnachten Ihr D.S. Herzliche Grüße an Kerschbaumer! (Das Folgende auf der Rückseite einer beigelegten Ansichtskarte : Intérieur auf Schloß Berg am Irchel. S. die Abb.) In diesem, meinem Arbeitszimmer, ist vieles «verernstet» -anstelle des Etablissements am Fenster - giebt es dort einen ausgebreiteten Arbeitstisch. Gegen den rechten Bildrand zu, erkennen Sie eben noch die Kante des Kamins, ein herrliches Leder-Kanapée bildet (auch davon sieht man ein Stück) sein Gegenüber. Links vorne, dort wo der Beschauer sich hält, ist der Eingang zu denken, in der Ecke daneben ein riesiger grün-weißer alter Kachelofen. Boiserieen, Wände, Decke weiß. Das Bild über der alten Kommode, ein merkwürdiges Kosakenbild um 1810 gemalt. (Noch aus der Escher-Zeit!) // Fürstin, für später: ich kann Sie vorzüglich logieren, alles dafür wäre dann bereit -: den Fürsten auch! mit Bequemlichkeit! D.S.
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