“Serafico carissimo. Wie gut dass Ihr Brief heute ankam…”
Lettere di Marie Thurn und Taxis a Rainer Maria Rilke
Segnatura: 134
Data completa: 1920 mag. 08
Descrizione: Briefwechsel: n. 306
Trascrizione: Serafico carissimo - wie gut daß Ihr Briefheute ankam - übermorgen starte ich und da wäre er wohl endlos gewandert. Also vor allem schnell meine Pläne: Ich fahre Montag nach Wien wo ich ein paar Tage bleibe (denke ungefähr bis zum 15ten), dann Triest, und in Triest ist vieles zu thun - unendlich trauriges fürchte ich - Alex kommt auch vielleicht dazu aber nur im Flug wie Sie ihn ja kennen, der jetzt mit Arbeit überbürdet ist. Dann möchte ich mich ein wenig ausruhen - muß aber auch wahrscheinlich meinen Bruder in Florenz aufsuchen - aber nur auf 2, 3 Tage, denn ich möchte dann wenigstens eine ruhige Woche im Mezzanino Valmarana haben. Wenn ich 8 bis 10 Tage für Triest rechne, so würde mich das übrige bis ungefähr um den 10 Juni bringen. Dann fahre ich wohl schnell nach Hause. Unsere Sommerpläne sind sehr bescheiden - Pascha und seine lieben Kinder werden kommen, Kassner jedenfalls auf 4-6 Wochen denke ich - außerdem würden Sie wahrscheinlich unseren Virtuosen hier finden und ich bin sicher daß Sie ihn lieben werden - Sonst ist niemand in Aussicht. Vera Cz. hat leider einen sehr traurigen Entschluß gefaßt, sie hat sich scheiden lassen! ja ihre reizenden Mädeln werden uns besuchen - der «Leonardo» und die andere die ein unbeschreiblich liebes anmuthiges Geschöpf ist. Sie sehen daß wir sehr wenig Gäste erwarten. Serafico wenn Sie mich schon so vertrauensvoll fragen was ich Ihnen rathe - so kann ich Ihnen nur sagen: Kommen Sie her! Das kleine Haus steht Ihnen zur Verfügung; Sie hätten Schlafzimmer kl. Salon Vorzimmerl Badezimmer. Oben wird wahrscheinlich ein dienstbares Wesen einquartiert damit Sie nicht ganz alleinig sind. Ihre Mahlzeiten können Sie bei sich haben, und sich überhaupt so einrichten wie Sie es wünschen in Allem und Jedem. Wie sehr wir uns freuen würden Sie nach so langer Zeit wiederzusehen und Sie in der Nähe zu haben, das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. - Wenn Sie wünschen würden, jetzt schon nach Venedig zu fahren und mich dorten zu erwarten so steht Ihnen das Mezzanino zu Diensten. Wie Sie wissen sind zwei kleine bescheidene Gastzimmer also auch wenn noch ein Gast mit mir käme - vielleicht Pascha den ich in Triest treffe - so ist Platz. Bitte sich nur aber direct anzusagen - denn von hier weiß man nie ob die Briefe ankommen. Und mir bitte telegrafiren Sie Ihre Pläne nach Triest Hôtel Savoia (vom 15ten an.) Sie wissen nicht Serafico carissimo wie wohl es mir thäte wieder ein wenig mit Ihnen zu plaudern. Ich habe viel Bitteres und Schweres durchgemacht, möchte ein wenig in andere Sphären kommen. Es wäre auch eine große Freude Ihnen meine Bibliothek zu zeigen welche ich catalogisirt habe - Also nehmen Sie sich einen Rand Serafico, und erscheinen Sie - Das Ideal wird es wohl nie für Sie sein können aber vorderhand glaube ich wirklich das Praktischeste.
Von Alex und mir die herzlichsten Grüße
MT