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“Meine theuere Fürstin, Dank für den Impuls Ihrer guten Zeilen…”

Lettere di Rainer Maria Rilke a Marie Thurn und Taxis
Segnatura: 16
Data completa: 1925 dic. 11
Descrizione: Briefwechsel: n. 435
Trascrizione: Meine theuere Fürstin, Dank für den Impuls Ihrer guten Zeilen vom Vierten: der Anlaß selbst hätte ja verdient, übersehen zu sein. Wie gern wär ich unter diesem Geburtstag unbemerkt durchgekrochen! Ich hatte mir, aus lauter Scheu vor seiner Betonlichkeit, immer vorgestellt, ich würde ihm mindestens bis gegen El-Kàntara zu, auf einen anderen, weniger landläufigen Kontinent, ausweichen: dazu wärs am Ende auch gekommen, ohne die immer[e] schlechtere, die nun dauernd versagende Gesundheit, die mich von allen Sprüngen abhält, übrigens auch von dem Meisten, was mir sonst lieb sein müßte: wie hätte ich sonst dieses längste Schweigen gegen Sie, Fürstin, zu, an- und anwachsen lassen. Aber ich bin ein unterbrochener Mensch: bitte, sagen Sie das auch unserem Freund Kassner, zur Aufklärung meines scheinbaren Undanks. (Manchen späten Abend bring ich nun über der «Verwandlung» zu, die man ja immer wieder so aufschlägt, daß neue Überschneidungen und Überraschungen sich ergeben.) Ich sage: späten Abend; denn seit meiner Rückkehr nach Muzot (Mitte Oktober) gehöre ich, tagsüber, lauter Nachholungen; eine Abwesenheit von neun Monaten bleibt nicht ungestraft, (surtout quand on ne les a pas employés pour mûrir un enfant!) Muzot erscheint mir oft schwer und einsam in dieser für mich bangen Zeit, und doch, wie muß ich mir die Zuflucht loben; nächstens, sowie mein Arzt in Valmont zurück ist, muß ich ja ohnehin meine Abgeschiedenheit und Freiheit wieder mit dem Sanatorium vertauschen, das seit zwei Jahren eine Art dépendance von Muzot geworden ist. Sie haben Rom vor! Wie gut: denn dieser Winter ist von einer Echtheit und Massivität wie lange keiner; wir haben es bereits zu Nächten gebracht, in denen das Thermometer bis in seinen Keller hinunterstieg, auf 16 und 18 Grad minus sich einlassend. Ha, le beau Valais: on comprend la légende qui veut que le purgatoire agit par les brûlures du glacier! Auf wiedersehen, verehrteste Fürstin, trotz Allem und Allem! Immer Ihr Serafico Sandte Ihnen nach Wien (gestern) den Band Valéry­Übertragungen; ein paar Tage vorher (nach Loučen adressiert) den kleinen Racine der Fstin. Bibesco.
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