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“Meine liebe Fürstin, acht oder zehn Tage hab ich keine Zeitung gesehen…”

Lettere di Rainer Maria Rilke a Marie Thurn und Taxis
Segnatura: 6
Data completa: 1915 giu. 10
Descrizione: Briefwechsel: n. 216
Trascrizione: Meine liebe Fürstin, acht oder zehn Tage hab ich keine Zeitung gesehen, gestern wurde mir eine gebracht, in der die Namen Monfalcone, Sagrado, Duino standen; ich weiß nicht, wie weit zutrifft, was dort an Vernichtung berichtet war. Aber alles, was Zerstörung heißt, ist ja jetzt möglich, wahrscheinlich, sozusagen von vornherein zugegeben. Zum ersten Mal seit Krieg ist, hat mich, mit diesen Namen, ein einzelnes Geschehen so unmittelbar im Herzen getroffen. Liebe liebe Freundin, hätte ich doch alle Elegien auf Duino geschrieben, wären sie doch unsäglich schöner als sie sind -. (Alle die Unwiederbringlichkeiten!) Welches Gewicht, welche Verpflichtung fällt nun auf die ein wenig überlebenderen Dinge. Wo sind Sie? Und der Fürst? Sie können begreifen, wie ich in Fühlen und Denken mit Ihnen bin. Wenn ich endlich einen Entschluß aufbringe, so wird‘s voraussichtlich dazu kommen, daß ich nächste Woche ein ganz kleines Haus am Ammersee beziehe, mit einer Wirtschafterin (die ich noch suche) und meinen Büchern. Um nicht zu sprechen, nicht zu hören und gewissermaßen kein Gesicht zu haben: Das Haus (drei Stuben und Küche) liegt in einer Sommerwiese, die dazu gehört, ich hoffe ich brings dort zu etwas Gutem, Verläßlichem innen, die Stadt ist mir ganz unerträglich. Ein Wort, liebe verehrte Fürstin, womöglich. (Alles erreicht mich noch über Finkenstraße 2IV.) Aus besorgtestem Herzen Ihr D.S.
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