“Ich weiss nicht wo Sie sind Dottor Serafico….”
Lettere di Marie Thurn und Taxis a Rainer Maria Rilke
Segnatura: 74
Data completa: 1913 ott. 15 ?
Descrizione: Briefwechsel: n. 172
Trascrizione: Ich weiß nicht wo Sie sind Dottor Serafico, und probire also diese Zeilen nach Leipzig zu schicken. Wie Sie sehen bin ich wieder hier - seit dem 12ten. Ich habe eine sehr hübsche Autofahrt in Toscana, Umbrien gehabt - dann eine Woche Venedig. Jetzt bin ich hier mit Alex und Pascha, und fahre, bis beide abdampfen, wahrscheinlich nach Venedig zurück. Meine kleine Wohnung dorten genieße ich wirklich sehr - und ich habe den guten Padre Guignoni den Sie ja auch kennen zum letzten Durchsehen von meinen Übersetzungen enrolirt. Sie wissen daß er ein großer Dante-Kenner und Forscher ist; par conséquent auch was Sprache anbelangt impeccable - darum wollte ich seine Meinung - denn die journalistischen Feinheiten und Modernitäten vom guten Damerini passen mir nicht. Es war riesig interessant, und ich habe auch eine große Freude gehabt, denn à part ein paar - sehr wenige - Kleinigkeiten hat P. Guignoni gar nichts zu ändern gefunden, und war speziell über den Orpheus ganz begeistert - er frug mich fort ob ich wüßte wie schön es wäre - und ich konnte ihm nur sagen von der Schönheit des Originals welches sich nothwendiger Weise ein wenig spiegeln mußte. Nach dem Orpheus gefiel ihm am Besten die Cortigiana und die Fontaine. Die beiden Elegien habe ich ihm auch gezeigt - über den Engelgesang war er ganz weg. Aber die müssen wir noch zusammen durchnehmen. Ich war auch einen Tag in Saonara wo man viel nach Ihnen gefragt hat. Pia wohl und sehr en beauté. Ich hoffe sie heuer doch etwas bei mir zu haben. - Ja die gute Annette Kolb - es ist mir spät, erst November - ich fürchte daß ich dann nicht mehr hier bin - ich werde ihr selbst schreiben - heuer ist alles confus und unbestimmt. Ich bin sehr neugierig auf Ihre nächsten Pläne Seraficus ! wo werden Sie jetzt wandern - ruhelos - Erinnern Sie sich daß Duino und Lautschin Ihnen immer offen sind. - Ich lese jetzt mit großem Interesse das Buch von Wolkoff «L‘a peu près dans la critique» - es ist ein sehr genaues, ich möchte beinah sagen ein nothwendiges Buch - und gibt den Kritikern fürchterliche Hiebe - Natürlich bestätigt es Ihre so richtige Bezeichnung: Un homme de science fourvoyé dans les arts - aber ich glaube man hat zu viel in den Wolken gelebt, das Materielle muß auch berücksichtigt werden in der bildenden Kunst. Nur ist eben Wolkoff - so viel ich sagen kann, da ich das Buch noch lange nicht fertig gelesen habe - eben nur Materie und verleugnet le mystère den er nicht verstehen und seziren kann - wie ein jeder rechtschaffener Gelehrter. - Sie hätten ihn hören sollen dem armen entsetzten P. Guignoni auseinander setzend daß Tolstoi rasend dumm war!!! - Das Wort génie kommt in seinem Buch prinzipiell nicht vor.
On en a abusé c’est sûr mais de là à le nier ou à l’èliminer ... Ich hoffe bald von Ihnen zu hören lieber D. S. sagen Sie mir auch wie es Ihnen geht de toutes les façons - indessen alles Herzliche von uns allen - auch von «der Unbekannten». Haben Sie kürzlich etwas von ihr gehört?
MT